Predigt von Weihbischof Dr. Peter Birkhofer – Erzbistum Freiburg zum Reformationsgottesdienst 2020

Ökumenischer Gottesdienst Heidelberg, 31.Oktober 2020; Predigt: Eph 4, 1-6

„Ökumene – so formulierte einmal der Theologe Clemens Wilken:ein Fremdwort — für die Gleichgültigenein Reizwort — für die Festgelegtenein Hauptwort — für die Begeistertenein Zukunftswort — für die noch nicht Resigniertenein Phantasiewort — für die Pragmatikerein Fragewort — das Strukturen erschüttertein Füllwort — das als Alibi gebraucht wirdein Trostwort — für die Verletztenein Leitwort — für die Suchendenein Kennwort — für die Eingeweihtenund eins der letzten Worte unseres Herrn: Seid eins!“Warum und wozu soll Ökumene – so könnte man sich nach einer solchen Aufzählung fragen – eigentlich gut sein?

Ist es wirklich notwendig, sich noch mehr auf die anderen Christen zuzubewegen und eine größere Einheit zu suchen? Haben wir nicht jeweils genügend eigene Probleme?Den Text aus dem Epheserbrief, den wir gerade gehört haben, haben Sie als ACK Heidelberg an den Anfang Ihrer heute vor drei Jahren anlässlich des Reformationsgedenkens abgeschlossenen Partnerschaftsvereinbarung gestellt. Damit haben Sie als Christen unterschiedlicher Konfessionen in Heidelberg gezeigt, dass Sie eine Wegmarke auf dem Weg hin zu der Einheit aller Christen setzen wollen, zu der der Epheserbrief aufruft.Der Epheserbrief nennt den Apostel Paulus als Verfasser, wird heute aber einem Paulusschüler der zweiten Generation zugeschrieben und auf um 90 n.Chr. datiert. Nach dem Tod des Paulus gab es in Ephesus mehrere christliche Gemeinden und es kam die Frage auf, was die einzelnen von Paulus gegründeten Gemeinden untereinander sowie die Paulusgemeinde und die johanneischen Gemeinden in Ephesus zusammenhält, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. (vgl. Heckel) So kann man die Einheit (henotés) als zentrales Thema des Epheserbriefes ansehen. Der Begriff begegnet hier zum ersten Mal im NT. Der Brief nennt sieben Merkmale für die Einheit der einen, universalen Kirche, die auch für unsere praktisch gelebte Ökumene eine Inspiration sein können:Zunächst ist die Rede von „einem Leib“ und „einem Geist“ (4,4). Diese Passage knüpft an das Bild von der Gemeinde als Organismus an, das Paulus im Ersten Korintherbrief einführt: „Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“ (1Kor 12, 12f). Durch die Taufe haben wir alle Anteil an der Menschwerdung, dem Tod und der Auferstehung des einen Christus, der uns erlöst hat. Durch seinen Heiligen Geist ist er bei seiner Kirche und lässt sie diese Erlösung erfahren. Diese Zusammenfügung zu der einen Gemeinschaft der Getauften durch den einen Geist verbindet über Grenzen hinweg.Wenn Paulus hier von der Einheit des Geistes redet, dann hebt er hervor, dass der Geist der Urheber und die Einheit die göttliche Gabe ist. Dieser einheitsstiftende Geist bewirkt das Bekenntnis zu dem einen Herrn. Durch diesen Geist sind die Gläubigen im Band des Friedens miteinander verbunden.Das, was bisher angeklungen ist, wird vom Schreiber des Epheserbriefes in sieben Kennzeichen für die Einheit der Kirche gebündelt.Nicht beliebig viele, sondern sieben – Vollkommenheit und Fülle des göttlichen Heilsplans spiegelt sich in dieser Zahl symbolisch wider. Die Summe von Drei, das Symbol der Dreifaltigkeit, und Vier, Zeichen der irdischen Ordnung, den ganzen Erdkreis umfassend, geben die Richtung an.Sieben Mal nennt der Schreiber des Briefes das Zahlwort „ein“ – Symbol der absoluten Vollkommenheit, Ganzheit und Unendlichkeit und Verweis auf Gott den Einen und Einzigen.Nicht einfach additiv stehen die sieben Merkmale des Einsseins in einer Reihe, sondern sind gleichsam in einen inneren Zusammenhang hineinkomponiert, der sich in drei Schritte gliedert und dadurch wieder die trinitarische Struktur erkennen lässt. Zunächst wird da der Bogen gespannt von der Ekklesiologie hin zur Eschatologie, um dann christologisch das Bekenntnis zu dem einem Herrn mit dem einen Glauben und der einen Taufe zu verbinden und am Ende hinzuführen in das Bekenntnis zu dem einen Gott und Vater.